„Wir beobachten eine Handvoll Banken mit großem Engagement im Gewerbeimmobilienbereich genauer als sonst.“ Mit dieser Aussage reagierte BaFin-Chef Mark Branson jüngst auf die zunehmende Unsicherheit hinsichtlich verschiedener deutscher Kreditinstitute. Gemeint sind wohl insbesondere die Aareal Bank und die Deutsche Pfandbriefbank (PBB). Beide Institute sind zuletzt in den Strudel rund um den Preisverfall am US-amerikanischen Büroimmobilienmarkt geraten. Am kritischsten ist die Lage ganz offensichtlich bei der PBB. Sie hat am amerikanischen Markt 4,9 Mrd. EUR an Krediten für Gewerbeimmobilien ausstehen. Dies entspricht 15% ihres Kreditportfolios. 80% entfallen davon auf Bürogebäude. Das Rating der Deutschen Pfandbriefbank ist mittlerweile fast auf Ramschniveau abgesackt (BBB), die Dividende wurde gestrichen, der Aktienkurs hat sich binnen Jahresfrist halbiert und einige Nachranganleihen bringen inzwischen Renditen von über 25% per annum (Mitte Februar waren es sogar über 50%). Da stellt sich schnell die Frage, wie ernst die Lage am US-Office-Markt tatsächlich ist und welche Konsequenzen sich daraus ergeben.
Wertentwicklung von US-Büroimmoblilien
Der US-Gewerbeimmobilienmarkt gilt als überaus schwierig. In vielen Segmenten kam es in den vergangenen zwei Jahren zu erheblichen Wertverlusten. Besonders hart hat es dabei Bürogebäude getroffen. Nach Erhebungen von Green Street, einem führenden Researchunternehmen u.a. im Real Estate-Bereich, lagen die Preisabschläge hier in den zurückliegenden zwölf Monaten bei durchschnittlich 22%. Gemessen an den letzten Höchstständen sind es inzwischen sogar 35%.


Dabei hängen die extrem hohen Preisabschläge bei OfficeGebäuden vor allem damit zusammen, dass diese im Gegensatz zu anderen Segmenten des Gewerbeimmobilienmarktes einem Trend ausgesetzt sind, der mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Strukturbruch führen wird. Gemeint ist die mit der Corona-Pandemie entstandene Akzeptanz (Arbeitgeber) und Beliebtheit (Arbeitnehmer) des Homeoffice. Wurden 2018 in den USA geschätzt lediglich 5% der Büroarbeit von zu Hause aus erledigt (Full Remote), ist dieser Anteil während der Corona-Pandemie in der Spitze bis auf 60% angestiegen.1 Anschließend ging es wieder deutlich nach unten, seit 2021 ist der Homeoffice-Anteil an der gesamten Bürotätigkeit mit über 30% aber bemerkenswert stabil. Zwar haben einige Firmen „Work from Home“ wieder deutlich eingeschränkt, breitere Bemühungen, die Angestellten zur vollständigen Rückkehr ins Büro zu bewegen, sind aber gescheitert. Daran dürfte sich auch zukünftig nichts mehr ändern. Die Folge sind hohe Leerstände bei Büroimmobilien, die sich nach dem deutlichen Anstieg seit 2021 inzwischen auf einem Allzeithoch befinden. Bundesweit liegen diese inzwischen bei 18% und in den Metropolregionen sogar bei knapp 20%. In einzelnen Städten fallen die Werte noch signifikant höher aus. Spitzenreiter bei den Leerständen ist Detroit mit 25%, gefolgt von Houston, San Francisco und Seattle mit 23%.

Erschwerend kommt hinzu, dass die durchschnittliche Auslastung der angemieteten Büroflächen ebenfalls stark gefallen ist – von durchschnittlich 90%-95% vor Corona auf jetzt 50%. Montags und freitags betragen die Occupancy Rates bundesweit sogar nur ein knappes Drittel, mittwochs steigen sie auf etwa 60% an. Die genutzten Büroflächen insgesamt (Belegungsrate = vermieteter Anteil der Gesamtfläche multipliziert mit dem vom Mieter tatsächlich benötigten Anteil) sind in den USA im Schnitt auf 40% gefallen. In Europa fällt der Rückgang zwar nicht ganz so stark aus, aber auch hierzulande stellt sich die Lage keineswegs rosig dar.

Die New Yorker Metro als Plausibilitätscheck
Unmittelbar vor der Corona-Pandemie (2019) wurde die New Yorker Metro an Werktagen im Schnitt von 5,5 Mio. Fahrgästen genutzt.3 Die Zahlen für 2017 und 2018 haben sich in einer ähnlichen Größenordnung bewegt. 2020 sind sie dann auf durchschnittlich 2,04 Mio. Passagiere pro Tag gefallen, um sich in den beiden Folgejahren wieder auf 2,4 bzw. 3,2 Mio. zu erholen. Für 2023 belaufen sich die Schätzungen auf 3,5 Mio. Fahrgäste. Dies entspricht gegenüber der Vor-Corona-Zeit immer noch einer Mindernutzung von über 35%. Der anhand der Metrozahlen durchgeführte Cross-Check lässt also weder an dem deutlich gestiegenen Homeoffice-Anteil, noch an dem ausgewiesenen Nutzungsanteil von durchschnittlich 40% bei US-Büroimmobilien ernsthafte Zweifel aufkommen.

Mittel- bis langfristig ist zu erwarten, dass viele Unternehmen die Auslastung der von ihnen angemieteten Büroflächen aus Kosten- und Wirtschaftlichkeitsgründen wieder erhöhen werden. Da dies voraussichtlich nicht über ein signifikantes Zurückdrehen der Homeoffice-Quote geschehen wird, und auch nicht mit einem sprunghaften Anstieg von Büroarbeit insgesamt zu rechnen ist, bleibt dafür nur, sich von Teilen der angemieteten Büroflächen zu trennen. Mit auslaufenden Mietverträgen nimmt die Auslastung der angemieteten Büroflächen dadurch wieder etwas zu, gleichzeitig wird sich der Leerstand (unvermietete Fläche) aber weiter erhöhen. Werte von 30%-35% könnten in einigen Gegenden der USA dann eher die Regel als die Ausnahme sein.
Auswirkungen auf die Profitabilität von Büroimmobilien
Nun stellt sich in einem zweiten Schritt natürlich die Frage, welche Auswirkungen die gestiegenen Leerstandsquoten, die zukünftig voraussichtlich noch weiter zunehmen werden, auf die Rentabilität einer Office-Immobilie haben. Vor Corona lag der Loan to Value (Beleihungsauslauf) neuerer Bürotürme typischerweise bei ca. 65%. Der Zinssatz betrug 3%-3,5%. Auf der Einnahmenseite lassen sich bei einer gut ausgelasteten Büroimmobilie (Leerstand = 10%) grob gesagt pro Jahr 10%-12% des Kaufwerts realisieren. Dem stehen drei große Ausgabenblöcke gegenüber. Dies sind im Wesentlichen die Betriebskosten (45%-50%), der Schuldendienst (25%-30%) und die Ausschüttung an die Eigentümer (25%-30%). Damit ist schon bei überschlägiger Rechnung leicht zu erkennen, dass Büroimmobilien mit einem Leerstand von etwa einem Drittel für die Eigentümer nicht mehr profitabel sind. Sie werden die Schlüssel bei den Banken abgeben. Erschwerend kommt hinzu, dass Banken aktuell keine Kredite für den Kauf von US-Büroimmobilien vergeben. „Neue“ Käufer sind in diesem Segment so gut wie keine in Sicht. Theoretisch sind zwar Refinanzierungen mit einem Zinssatz von 6%-6,5% möglich, allerdings nur wenn die Investoren Eigenkapital nachschießen, so dass der Loan to Value 60% des stark gesunkenen Immobilienpreises nicht übersteigt. Dazu werden nur sehr wenige Eigentümer in der Lage sein. Aber selbst wenn die finanziellen Ressourcen vorhanden sind, werden die entsprechenden Investoren hiervon in aller Regel Abstand nehmen, da sie auf massiven Verlusten ihres ursprünglich investierten Kapitals sitzen.
Unzureichender Sicherheitsabschlag
Auf den ersten Blick liegt die Vermutung nahe, dass die Sicherheitsmarge bei einem Loan to Value von 65% unter Berücksichtigung schon erfolgter Tilgungen hoch genug ist, um sich als Bank noch relativ schadlos aus den finanzierten Objekten zu verabschieden. Dies ist aber nicht der Fall, da Investoren schlicht und einfach keine unrentablen Büroimmobilien kaufen. Bliebe möglicherweise noch der Umbau von Büro- zu Wohnimmobilien. Diese – auch im Hinblick auf die zunehmende Wohnungsnot in den Großstädten – charmante Idee ist allerdings nur in den wenigsten Fällen umsetzbar. Flucht- und Nutzungswege müssten angepasst werden und die unterschiedlichen Belüftungs-, Sanitär- und Heizungssysteme sind in der Regel nicht miteinander kompatibel. Bürofenster lassen sich nicht öffnen (Klimaanlage) und die Dimensionierung von Wasser- und Abwasserleitungen für die Vielzahl an vollwertigen Küchen und Bädern fällt zu gering aus. Hinzukommt, dass die Außenwände von Büroimmobilien für eine Nutzung zu Wohnzwecken oft viel zu weit auseinanderliegen. Den Räumen in der Mitte fehlt damit das natürliche Licht. Es wäre deshalb die Schaffung von Innenhöfen oder zumindest größerer Lichtschächte nötig. In vielen Business Districts in den USA dürfen aus regulatorischen Gründen zudem auch gar keine Wohnimmobilien gebaut werden. Damit bleibt am Ende nur der Abriss und die Realisierung des Grundstückswertes, der im Schnitt bei ca. 30% des Gesamtwerts der Immobilie (Grundstück + Bebauung) liegt. Auch bei einer Loan to Value von „nur“ 65% werden Banken (je nach Tilgungsfortschritt) bei betroffenen Immobilien bis zu 55% (35 von 65) ihres Kredits abschreiben müssen. Wenn bei 30% (siehe oben) der US-amerikanischen Büroimmobilien der Schlüssel abgegeben werden muss, und die Banken auf diese Immobilien 55% ihres Kredits verlieren, beträgt die Abschreibungsquote auf das gesamte US-Office-Kreditbuch somit 16,5%. Dabei fällt der Wert in einem Crashszenario möglicherweise noch höher aus. Einerseits könnten die hohen Leerstände rückläufige Mieten zur Folge haben, was die Quote nicht rentabler Bürogebäude weiter erhöhen würde, und zum zweiten könnte dies auch zu fallenden Bodenpreisen führen. Diesen Super-GAU unterstellt könnte sich die Abschreibungsquote nochmals um die Hälfte erhöhen. Der Haircut würde dann bei 25% liegen.
US-Bankenmarkt im Stresstest
Gefühlt hört sich dies für den amerikanischen Kreditmarkt äußerst gefährlich an. Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass Office-Immobilien „nur“ für etwa 20% des gesamten US-Gewerbeimmobilien-Kreditmarktes und weniger als 10% des gesamten US-Immobilien-Kreditmarktes stehen. Sonstige Gewerbeimmobilien machen also weniger als 40% des gesamten US-Immobilien-Kreditmarktes aus, Wohnimmobilien-Kredite nehmen mit mehr als 50% den größten Anteil des US-Immobilien-Kredit-Portfolios ein. Insgesamt sind Office-Immobilien in den USA mit Krediten von 1.200 Mrd. USD belastet.4 Etwa die Hälfte davon liegt direkt bei den Banken (600 Mrd. USD), bei der anderen Hälfte handelt es sich wiederum zu 1/3 um sogenannte Commercial Mortgage Backed Securities (CMBS), jeweils 200 Mrd. entfallen grob gesagt auf Fannie Mae & Freddie Mac und andere institutionelle Investoren. In einem extrem konservativen Szenario lässt sich nun unterstellen, dass sämtliche CMBS bei Hedge Funds liegen und diese sie wiederum über Kredite der emittierenden Banken geleveraged haben. Bricht der Markt zusammen, verlieren die Commercial Mortgage Backed Securities stark an Wert und die Hedge Funds gehen Pleite. Die betroffenen Kredite fallen dann wieder an die Bank zurück, von denen die CMBS emittiert wurden. In einem derartigen Worst-Case-Szenario müssen sich die Banken also mit USOffice Loans im Volumen von 800 Mrd. USD auseinandersetzen. Multipliziert mit der oben zunächst ermittelten Abschreibungsquote in Höhe von 16,5% ergibt sich damit ein maximaler Ausfall von ca. 130 Mrd. EUR. Unterstellt man den „Super-GAU“ (25% Abschreibung auf das Kreditbuch für Office-Immobilien), sind es 200 Mrd. USD. Das gesamte Eigenkapital des amerikanischen Bankensystems beläuft sich aktuell aber auf ca. 2.300 Mrd. USD. Hinzukommen Gewinne von geschätzt 300 Mrd. USD allein im Jahr 2023. Selbst wenn an sämtlichen Stellen stets von dem schlimmsten (kaum) vorstellbaren Szenario ausgegangen wird, würde die „Mutter aller Stresssituationen“ nur ca. 10% des Eigenkapitals amerikanischer Banken vernichten bzw. alternativ nur zwei Drittel eines Jahresgewinns kosten.

Fazit
Das Risiko, das von der Entwicklung des Office-Markts in den USA ausgeht, scheint auf den ersten Blick immens. Verstärkt wird die Sorge vieler Anleger dabei durch die rege Berichterstattung in den Medien, die anhand einzelner prominenten Beispiele aufzeigen, vor welchen (strukturellen) Veränderungen der Büromarkt weltweit steht. Diese sind - wie oben hergeleitet - keineswegs zu leugnen. Sie relativieren sich aber erheblich, wenn man den im WorstCase zu erwartenden Abschreibungsbedarf ins Verhältnis mit dem gesamten amerikanischen Immobilienmarkt, dem Eigenkapital des US-Bankensystems oder auch nur den Banken-Gewinnen im Jahr 2023 setzt. So hat der US Residential Immobilienmarkt aktuell ein vierbis fünfmal höheres Gewicht in den Kreditbüchern der US-Banken als der Office-Markt. Auch der Vergleich mit 2007/2008 beruhigt: das heutige absolute Kredit-Exposure (in USD) der US-Banken zum Office-Markt liegt bei weniger als 30% des Exposures zum Wohnimmobilienmarkt im Jahr 2007. Das Eigenkapital des US-Bankensystems wiederum ist um den Faktor 1,7x höher als es im Jahr 2007 war. Zwar können ohne weiteres einzelne Banken stark unter Druck geraten oder sogar kollabieren, wobei wir allerdings nicht an große deutsche oder europäische Banken mit einem breit diversifizierten Kreditbuch denken (siehe 3 Fragen an Rui Soares). Der US-Office-Markt ist aber insgesamt viel zu klein, um einen Kollaps des US-Finanzsystems mit einer anschließenden Kettenreaktion auf anderen Märkten auszulösen. Selbst bei Kreditabschreibungen von 25%, die nach unseren Betrachtungen selbst in einem extremen Stressszenario höchst unwahrscheinlich sind, könnten die daraus entstehenden Verluste allein über die Bankengewinne des vergangenen Jahres abgefedert werden. Dabei wurde bei der gesamten Diskussion vernachlässigt, dass keineswegs alle Loans am amerikanischen OfficeMarkt von US-Banken vergeben wurden (siehe hierzu etwa die Medien-Berichterstattung zur Deutschen Pfandbriefbank), und dass die Fed dieses Mal höchstwahrscheinlich sehr viel proaktiver handeln wird als 2007/2008, falls sich die Lage weiter verschärfen sollte.